Versende-Technik auf dem Dach des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin | Foto: Adamantios, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DEED

ÖRR-Mitarbeiter verfassen Manifest

Exklusiv für zoos.media – 04.04.2024. Autor: Philipp J. Kroiß

Mitarbeiter vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland haben sich teils anonym mit einem Manifest an die Öffentlichkeit gewandt. Es deckt Missstände auf.

ÖRR-Mitarbeiter verfassen Manifest

Schon oft musste zoos.media über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) berichten – und selten war es mal positiv. Gerade zu zoologischen Gärten gab es von Fehlberichterstattung über False Balance so ziemlich jede Form der Fehl- bis Desinformation, die man sich vorstellen kann. Hier ein paar Beispiele:

Zoos & Artenschutz: Quarks veröffentlicht Quark

ZDF-heute-Nachrichten machen sich zum Sprachrohr für Anti-Zoo-Aktivisten

Zoos: Odysso-Beitrag wirft Fragen auf

Stellungnahme der Fachgruppe Rotmilan zu ZDF-Bericht

WDR 5: Peinliche Zitate-Kachel desinformiert über Zoos

Terra X blamiert sich mit PETA als Quelle

Das Manifest von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von ARD, ZDF und Deutschlandradio liefert Hinweise, wie solche – einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht angemessene – Berichterstattung zustande kommt. Es bestätigt dabei auch die Thesen, die auf zoos.media und darüber hinaus aufgeworfen wurden.

Limitierung des Sagbaren

Glückliche Elefanten im Erlebnis-Zoo Hannover | Foto: zoos.media

Die Mitarbeiter verzeichnen “eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive”. Weiter kritisieren sie, dass “Meinungsmache und Berichterstattung zusehends” verschwämmen “auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht”. Sie berichten: “Nur sehr selten finden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt.”

Das wird seit Jahren auch in der Berichterstattung über Zoologische Gärten, aber auch Tierhaltung generell gemacht. Die meisten Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Medien gehen offenbar von einem Anti-Zoo-Konsens der Gesellschaft aus, den es aber gar nicht gibt. So werden Ausführungen der Tierrechtsindustrie reproduziert, statt ordentlich berichtet.

Der Fall der Berichterstattung über die Elefantenhaltung im Erlebnis-Zoo Hannover gilt dafür als Musterbeispiel. Vom SWR-Format “Report Mainz”, das das manipulierte und manipulierende Material von PETA, das vor jedem angerufenen Gericht scheiterte, sogar noch verteidigte, aus verbreitete sich das Narrativ der gequälten und geschlagenen Tiere durch ARD-Formate und darüber hinaus. Als dann klar war, dass das Material nicht das zeigte oder nachweisen konnte, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk und PETA unterstellt hatten, wurde größtenteils der Mantel des Schweigens darüber gehüllt.

Ideologische Faktenchecks & Innere Pressefreiheit

Blick auf den Reichstag und weitere Teile des Regierungsviertels in Berlin von der Marschallbrücke aus | Foto: Flocci Nivis, Lizenz: CC BY 4.0 DEED

Auch im Zusammenhang mit dem Fall der Elefanten im Erlebnis-Zoo Hannover sah man das Scheitern des Faktencheck-Formats “Faktenfuchs” der Tagesschau. Auf solche Checks kommt auch das Manifest zu sprechen: “Das sorgfältige Überprüfen zweifelhafter Meldungen ist wichtig. Allerdings suggerieren sogenannte Faktenchecks oft durch ihre Machart, Überschrift und Formulierungen eine vermeintlich absolute Wahrheit, die selten existiert.”

Die Unterzeichner des Manifests betonen: “Innere Pressefreiheit existiert derzeit nicht in den Redaktionen. […] Dazu erschwert äußere Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus. Interessensverflechtungen von Politik und Wirtschaft werden zu selten in tagesaktuellen Beiträgen aufgezeigt und erörtert.”

Exakt das wird auch seit Jahren von zoos.media beobachtet. So machen sich Redaktionen schnell zu Sprachrohren fragwürdiger NGOs, wie PETA, oder machen sich undifferenziert zu einer Art Klatschvolk bestimmter parteipolitischer Vorstöße. Das sah man zum Beispiel als man im NDR versuchte, die Positivlisten-Kampagne von Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) noch irgendwie so hin zu biegen, dass es doch stimmte. Schon lange hatten aber die Fakten die Märchenstunde des Ministers entzaubert.

Unterzeichner wollen neuen ÖRR

Das Reichstagsufer mit dem ARD-Hauptstadtstudio in Berlin | Foto: Andreas Fränzel, Lizenz: CC-BY-SA-2.5

Den Unterzeichnern, die im oder mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten oder gearbeitet haben, schwebt ein neues Konzept vor. So sollen die Bürger weiter für den ÖRR zahlen, der als “Vierte Säule der Demokratie” fungiere und mehr bürgerkontrolliert sein soll. Die Wünsche sind fromm, in der Umsetzung wird man dabei aber wenig konkret. Da man auch auf Werbeeinnahmen verzichten will, könnte das Vorhaben schnell zu Kostenfalle werden. Deutschland “gönnt” sich aktuell schon den teuerster ÖRR der Welt mit einem Budget von rund 10.000.000.000€ – an erster Stelle stünde also eine Schrumpfung.

An dieser Stelle kommt man aber schon zu einem Konstruktionsfehler des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, denn dazu braucht es einen politischen Willen. Dieser politische Wille wird aber vom ÖRR sanktioniert. Seit Jahren kann man nämlich beobachten wie unterschiedlich der ÖRR mit Parteien umgeht, je nach dem wie sie zum aktuellen System stehen. So werden die Parteien auffallend freundlich behandelt, die den ÖRR ausbauen und Beiträge immer weiter erhöhen wollen und bei solchen, die das nicht wollen, ist man deutlich kritischer in den meisten Redaktionen. Eine Lösung dafür bietet das Manifest auch nicht wirklich.

Nichtsdestoweniger enthält das Manifest auch gute Vorstöße wie: “Meldungen von Nachrichtenagenturen werden soweit möglich nicht ungeprüft übernommen.” Das macht Sinn, weil selbst die dpa nicht mehr wirklich verlässlich ist. Auch die Idee, ÖRR-Inhalte dauerhaft verfügbar zu halten, ist sicher richtig und die skizzierten Vorgaben für Recherche und deren Präsentation zeigen großes Potential. Gerade dann aber wäre natürlich auch ein Schrumpfen des Angebots von Nöten, um dies alles in auch tatsächlich kontrollierbarem Ausmaßen zu halten. Dafür aber wird kein Konzept vorgestellt.

Probleme lassen sich nicht mehr leugnen

Die Statements zu Missachtung des Programmauftrags erlauben einen tiefen Blick in die Redaktionen und erklären auch, wie es zur Fehlberichterstattung über Zoos und Aquarien kommt: “Es ist immer das gleiche ideologisch geprägte Weltbild, das sich in Sprache und Duktus durchsetzt – und letztlich auch so ausgestrahlt wird”, berichtet ein WDR-Mitarbeiter zum Beispiel. Dabei ist allerdings auch wichtig zu betonen, dass es auch gute Erfahrungen von Zoos und Aquarien mit bestimmten ÖRR-Mitarbeitern gibt. Es war und ist nicht alles schlecht. Dieser falsche Eindruck soll nicht entstehen. Es muss sich eben nur was verbessern.

Allerdings ist es so wie es auch in den Statements beschrieben wird: “Der beste gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk kann leider nur so gut sein, wie die Menschen, die dort die Machtpositionen besetzen.” Dass dort die Macht oft missbraucht und ein Klima der Angst aufgebaut wird, davon zeugen weitere Statements von Mitarbeitern. So ist es eine gute Nachricht, dass die Missstände im ÖRR nicht nur extern, sondern auch intern öffentlich problematisiert werden. Daher ist dieses Manifest ein wichtiger Stein des Anstoßes und birgt die Hoffnung, dass es vielleicht doch mal wieder besser werden kann und nicht immer nur noch schlechter.

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