Exklusiv für zoos.media – 21.07.2025. Autor: Philipp J. Kroiß
Mal wieder hat Quarks zu Zoos gepostet. Der folgende Artikel schaut sowohl auf den Post selbst, als auch auf die Kommentare. Dabei geht es auch um Robert Marc Lehmann.

Zoos, Quarks & Lehmann: O.K. oder K.O.?
Berichterstattung von Quarks, einer öffentlich-rechtlichen Medienmarke von WDR und hr, kennt Licht und Schatten. Es scheint sehr davon abzuhängen, wer gerade mit dem Thema beauftragt ist. Da es öfter Schatten als Licht gibt, waren wir überrascht als uns Follower auf einen Instagram-Beitrag aufmerksam machten. Dabei ging es aber weniger um den Inhalt des Posts als um die Kommentare. Die waren tatsächlich interessant zu lesen.
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Am Anfang war der Shitstorm
Erstmal passierte, was oft bei Zoos-Post passiert: Es finden sich Accounts ein, die immer noch die Grundlagen von Natur- und Artenschutz, wie etwa den One Plan Approach to Conservation (OPA) der Weltnaturschutzunion (IUCN) nicht verstanden haben, ein. Quarks könnte sich das ersparen, wenn das Format diesen Ansatz häufiger erklären würde. Sicherlich birgt das aber das „Problem“, dass man dann nicht mehr fragen kann: „Ist es okay, Tiere im Zoo zu halten?“ Der OPA macht nämlich klar: Es geht gar nicht anders.
Ohne Zoologische Gärten und Aquarien ist die Anwendung von umfassendem Artenschutz unmöglich. Man kann also Zoos mögen oder nicht. Das ist egal, weil die Fakten hier eine deutliche und klare Sprache sprechen. Es geht in dieser Frage nicht um persönliches Gusto. Tatsächlich geht es in der Frage um Sein oder Nichtsein für viele Arten. Es fragt sich schließlich auch niemand ernsthaft, ob es okay ist, Menschen in Krankenhäusern zu behandeln.
Spannende Kommentare

Dann gibt es immer wieder ein paar wenige Kommentatoren, die doch darum bitten, sich mit Robert Marc Lehmann in dieser Frage zu befassen. Das passiert auch auf Facebook immer mal wieder: Kleinst-Accounts mit rätselhaften Namen, die plötzlich aufploppen und auch schnell wieder weg sind. Quarks hat darauf entschiedene Antworten. Die fallen auch überraschend klar und deutlich aus.
„Warum du einem – in deinen Worten – „extremen Anti-Zoo“ Influencer mehr Glauben schenkst als unserer Recherche, bleibt uns ein Rätsel“, heißt es etwa. Weiter erklärt man, als öffentlich-rechtlicher Rundfunk habe man auch keine Gewinnabsicht. Das sei bei Influencern anders, „die Merch verkaufen zum Beispiel oder von YouTube Geld bekommen für ihre Inhalte mit möglichst vielen Klicks.“ Das könnte man durchaus als Seitenhieb gegen Lehmanns weitgereistes Merchandising, das zu hohen Preisen verkauft wird, verstehen.
Damit aber nicht genug. Einer anderen Kommentatorin mit der gleichen Stoßrichtung erklärt man, man spreche lieber mit Wissenschaftlern und schaue in entsprechende Publikationen. Aktivisten gehörten in der Regel nicht zu den Gesprächspartnern von Quarks. Wie glaubwürdig das ist, steht sicher auf einem anderen Blatt. Aber spannend ist es allemal. So entschieden gegen Shitstorms aus dieser Richtung hat sich noch kein ÖRR-Format bisher gezeigt.
Und der Inhalt?

Der Quarks-Post an sich ist derweil nicht die Wiedererfindung des Rades. Zuerst wird die Pavian-Diskussion sehr oberflächlich dargestellt. Dann folgt eine defizitäre und unvollständige Liste der Pros von Zoos. Anschließend folgt eine noch viel defizitärere Liste dessen, was angeblich gegen Zoos sprechen würde. Hier ist schon die Beleg-Liste fragwürdig. Es werden nur drei wissenschaftliche Arbeiten aufgezählt. Zuerst Lahdenperä et al. (2018). Eine Studie, die man bei Recherche dazu findet, will zeigen, dass im Zoo geborene Elefanten länger leben als wildgefangene.
Die zweite Studien-Quelle ist Birkett et al. (2011). Darin geht es darum, dass das meiste Verhalten, was BIAZA-Zoo-Schimpansen zeigen, dem Verhalten ihrer wilden Artgenossen entspräche. Bei Singh et al. (2023) geht es um das Haltungsmanagement von Bartaffen. Wer sich jetzt fragt, was die Studien mit den Aussagen darüber zu tun haben, stellt eine sehr gute Frage. Entweder war die Zitation falsch oder schlicht uneindeutig. Richtig belegt werden kann dadurch nämlich keine der generalisierten Aussagen.
Was mit „BMEL (2021)“ gemeint sein soll, liegt auch im Dunkeln. In dem Jahr hat das Bundesministerium recht viel veröffentlicht. Ebenso ist fraglich, was der Verband der Zoologischen Gärten zu der Negativ-Liste beigetragen haben soll. Er müsste jedes dieser Gegenargumente spielend einfach widerlegen können. Daher ist schon mal die Quellenlage zu den Aussagen fraglich.
Thema: Auswilderungen

Quarks behauptet, dass Auswilderungen von Zoo-Tieren selten seien. Das hängt stark davon ab, was man unter „selten“ versteht. Auf zoos.media zum Beispiel berichten wir durchaus häufig über Auswilderungen und können leider nicht mal alle Zoo-Auswilderungen abdecken. Zudem seien sie „aufwendig, teuer und nicht immer erfolgreich.“ Flapsig könnte man sagen: Das sind die Torschüsse von Christiano Ronaldo auch nicht, aber man bezahlt ihm trotzdem Rekordsummen dafür.
Der Anspruch „immer erfolgreich“ sein zu müssen, ist schon realitätsentrückt. Zoologische Gärten machen oft Pionierarbeit. Da kann nicht alles beim ersten Mal klappen und muss es auch gar nicht. Gerade ein Wissenschaftsmagazin sollte wissen wie das mit Versuchen funktioniert. Es muss nichts beim ersten Mal klappen. Am Ende kann trotzdem ein positives Ergebnis stehen. So ist das Argument schon schlecht durchdacht.
Zudem fragt man sich, warum aufwendige und teure Auswilderungsprojekte gegen Zoologische Gärten sprechen sollen. Das ist Aufwand, den man betreiben muss, und das ist Geld, das man aufwenden muss, wenn man Arten retten will. Es spricht vielmehr für Zoologische Gärten, dass sie das auf sich nehmen. Irgendjemand muss es ja machen.
Bedrohungsstatus von Zoo-Tieren

Quarks behauptet, dass „nur ein kleiner Teil der Zoo-Tiere […] zu bedrohten Arten“ zählen würde. Auch das Argument macht keinen Sinn, weil hier die Bedrohung gar nicht definiert ist. Es gibt Arten, die global bedroht sind. Genauso gibt es Arten, die global nicht, aber sehr wohl lokal bedroht sind. Da nicht mal eine Quelle für die Aussage angegeben ist, wirkt das mehr als fragwürdig.
Zudem muss man auch bedenken, nicht jede für den Naturschutz wichtige Art ist bedroht. Ein klassisches Beispiel sind die Schwarzschwanz-Präriehunde. Die Art selbst ist noch nicht bedroht, aber dort, wo sie lebt, ist die Biodiversität im Ökosystem höher, als dort, wo sie schon verschwunden ist. Man spricht von einer Keystone Species für die Prärie. Wenn man solche Arten erst zu halten und zu züchten beginnt, wenn sie offiziell auf der Roten Liste stehen, wird es zeitlich nicht nur für diese Art eng.
Es macht in Zoologischen Gärten auch keinen Sinn, immer erst sich um Arten zu kümmern, wenn schon alles in sprichwörtlichen Flammen steht. So versucht man auch so genannte NT-Arten, die kurz vor einer Bedrohung gemäß der Roten Liste der IUCN stehen, schon zu schützen, damit sie erst gar nicht bedroht werden. Das ist auch sinnvoll. Ferner ist zum Beispiel die Rote Liste auch durchaus langsam. Erst auf eine Einstufung zu warten, bevor man was tut, kann überlebenswichtige Zeit verschwenden.
Nur 5% der Einnahmen in Schutzprojekte?

Quarks macht einen sehr offensichtlichen Rechenfehler. Für die 5% gibt es natürlich wieder mal keine Quelle. Grundsätzlich gilt aber sowieso: Das meiste, was Zoologische Gärten beitragen, wir gar nicht geldlich erfasst. Zum Beispiel haben Tiere innerhalb von Europäischen Erhaltungszucht-Programmen keinen Geld-Wert. Gibt ein Zoo also zum Beispiel Feldhamster oder Przewalski-Pferde zur Auswilderung, ist das ein großer Beitrag zum Überleben der Tiere, hat aber den Geldwert 0.
Das Gleiche gilt zum Beispiel für Erstzuchten, Erfahrungswerte oder auch wissenschaftliche Erkenntnisse. Das sind riesige Beiträge für den Natur- und Artenschutz, die aber keinen geldlichen Wert haben und so auf keiner Bilanz auftauchen. Diese aber nicht mit einzuberechnen, wenn man den Wert von Zoologischen Gärten für Schutzprojekte ermitteln will, ist fatal.
Man kann übrigens bei den Organisationen, die mit Zoos zur Rettung von Arten zusammenarbeiten, auch durchaus erfragen, dass die wertvolle Unterstützung weit über das Geldliche hinausgehen. Das wäre für Quarks vielleicht mal sinnvoll. Es gibt schließlich genug Organisationen im Tier- , Natur- und Artenschutz, die genau wissen, dass die Haltung von Tieren in Zoologischen Gärten einen großen Beitrag leistet.
Kein Beleg für Bildungserfolg?
Peinlich für Quarks wird es dann beim Thema Bildung. So behauptet man, es gebe „keine Belege, dass Menschen sich durch Zoos für mehr Artenschutz einsetzen“. Das ist schlicht falsch. Einmal sind die Zoo-Fördervereine ein sehr lebendiger Gegenbeleg für die Aussage. Hierfür ist der Zoo-Verein Wuppertal e.V., dem unser Beiratsmitglied Bruno Hensel vorsteht, ein hervorragendes Beispiel. Der Verein bringt sich seit vielen Jahren nicht nur in die Förderung des Zoos, sondern auch in die Förderung von Artenschutz ein. Ohne den Zoo gäbe es den Verein nicht.
Quarks hätte aber natürlich auch in die wissenschaftlichen Publikationen schauen können. Auf zoos.media schauen wir auch immer mal wieder auf solche Veröffentlichungen.
Umweltbildung im Zoo: Auswirkungen auf Naturverbundenheit und Artenschutzmotivation
Das sind nur drei Beispiele. So findet man weit mehr Belege. Sowohl auf zoos.media, aber noch viel mehr in der wissenschaftlichen Literatur. Mit der wollte sich Quarks doch eigentlich beschäftigt haben.
„Zoo-Forschung häufig zu Tierhaltung, weniger zu Naturschutz“?

Auch aufgrund nicht wirklich vorhandener Quellen, ist dieses Kontra-Argument unklar. Was ist jetzt die dahintersteckende Erwartungshaltung an Zoos? Zoo-Forschung betrifft viele Felder. Für den Naturschutz ist sie unabdingbar, weil sich nicht wenige Forschungsfragen aus der Natur nur in Menschenobhut beantworten lassen. Auch hier ist egal, ob man Zoos nun mag oder nicht – man kann deren dringenden Bedarf nicht leugnen.
Richtigerweise geht es aber bei Zoo-Forschung um viel mehr. Neben Grundlagen-Forschung geht es auch um die Tierwohl-Forschung. Man erwartet von Zoos und Aquarien richtigerweise, die eigene Haltung zu hinterfragen. Daher muss es immer wieder auch wissenschaftliche Untersuchungen dazu geben. Daraus einen Vorwurf konstruieren zu wollen, ist fragwürdig.
Zudem dient Forschung zu Tierhaltung auch Naturschutz. Tierhaltung immer weiter zu optimieren, bedeutet auch Erhaltungszuchten zu optimieren. Ohnehin lässt sich das also nicht so leicht trennen, wie Quarks es hier vorgibt. Tierhaltung ist ein Teil von Naturschutz. Haltung rettet Arten. Tierhaltung im Zoo und Naturschutz sind nicht sinnvoll zu trennen.
Aktionsraum Zoo versus „Wildnis“
Ohne Einordnung erklärt Quarks, dass es schlecht sei, dass die Tiere „weniger Fläche als in der Wildnis“ hätten. Da mag man sich auch fragen, wo diese Masse an Wildnis denn sein soll, könnten gerade bedrohte Arten jenseits von durch Menschen gemanagte Schutzgebiete kaum überleben. Das ist aber nochmal an ein anderes Fass, dass man gar nicht aufmachen muss. Man weiß sehr gut, gerade auch durch die Wissenschaftsdisziplin Tiergartenbiologie, dass sich der Platzbedarf von Tieren in Menschenobhut verringert. Warum? Wesentliche Zwänge, die den Aktionsraum in der Natur vergrößern, fallen in Menschenobhut weg.
So sind die Aktionsräume naturgemäß kleiner, weil auch Tiere mit Platz nicht verschwenderisch sind. Für Quarks wird es nun besonders peinlich, weil sie als „Kronzeugen“ für das Argument Elefanten nehmen. Hier hätte man auch nur in die wissenschaftliche Literatur schauen müssen. Das hat man nämlich bereits recht gut erforscht.
Bewegen sich Elefanten im Zoo weniger als ihre Artgenossen in der Natur?
Verhaltensauffälligkeiten und kürzere Lebensdauer?
Das sind Vorwürfe gegen Zoologische Gärten, die aus einer Zeit kommen, in der es Instagram, wo Quarks den Beitrag, um den es geht, gepostet hat, noch nicht mal gab. Tiere leben in Zoos nicht kürzer als in der Natur. Dazu gibt es eine Studienlage, die so groß ist, dass man sie kaum hier ausbreiten kann. In dem Zusammenhang hat zoos.media zum Beispiel über eine große Studie zu Raubtieren berichtet. Vor gar nicht allzu langer Zeit gab es ein Update zu verschiedenen Meeressäugern.
Verhaltensauffälligkeiten sind selten in Zoos. Dabei handelt es sich in der Regel auch um Verhalten, dass die Tiere aus schlechterer Haltung in die Zoos mitgebracht haben. Leider schafft man es nicht immer, dass die Tiere diese Auffälligkeiten in der besseren Haltung loswerden. Das kann man aber nicht den Zoologischen Gärten anlasten, die den Tieren eine besser Haltung zuteil werden lassen. Mit den Lebenshöfen, denen Quarks generell und fälschlicherweise per se mehr Tierwohl unterstellt, macht man das ja auch nicht.
Fazit

Also so gut, wie sich Quarks hier selbst sieht, ist das Format immer noch nicht. Es hat viel von der alten Strahlkraft eingebüßt. Die defizitäre Recherche, die den Rezipienten ein falsches Bild vermittelt, macht es nicht besser. Es hätte viel sinnvolle Kritik an Zoos gegeben. So könnte man etwa über die schädliche Monopolisierung von Erhaltungszuchtprogrammen bei bestimmten Verbänden in Europa in Nordamerika reden. Man kann Management-Entscheidungen wie fragwürdige Zuchtstopps, Transporte aus AZA-Zoos in schlechte Haltungen und mehr sehr gut diskutieren.
Quarks scheitert immer wieder daran, dass man versucht, die Systemfrage zu stellen. Die ist schon längst geklärt. Ohne Zoos geht es nicht – ob man sie nun mag oder nicht. Niemand auf dieser Welt muss das Notwendige vergöttern. Es macht aber durchaus Sinn selbiges – auch entgegen etwaigem persönlichen Missfallen – anzuerkennen.
Durchaus positiv fällt aber die Resilienz der Quarks-Redaktion gegen im Rahmen vom Shitstorm geäußerte Aufforderungen auf, Robert Marc Lehmann dazu zu befragen. So scheiterte er jüngst daran, Balistaren, Sumatra-Nashörnern und Galapagos-Riesenschildkröten nachzusagen, man bräuchte gar keine Zoos für ihren Schutz. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Zootierhaltung rettet aktiv Arten – auch und gerade diese.